Pflegebedürftige erhalten Leistungen aus der Pflegeversicherung wie Pflegegeld, Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst oder eine Kombination von beidem auf Antrag von der Pflegekasse. Dazu muss die Pflegekasse zunächst den Pflegegrad der Pflegebedürftigen feststellen. Wie hoch deren Leistungsanspruch ist, hängt vom Pflegegrad ab. Wenn bereits ein Pflegegrad besteht, können Pflegebedürftige eine Höherstufung beantragen.
Die Leistungen werden ab Antragstellung gewährt. Es kommt darauf an, wann der Antrag bei der Pflegekasse eingeht. Der Antrag ist formfrei, Pflegebedürftige können ihn also auch telefonisch stellen. Den Zeitpunkt des Eingangs müssen sie allerdings im Zweifel beweisen.
Tipp: Notieren Sie den Tag des Antrags, also z. B. des Telefonanrufs, und den Namen der Kontaktperson bei der Pflegekasse. Versenden Sie bei schriftlichen Anträgen ein Einwurf-Einschreiben oder ein Fax. Der Sendebericht dient beim Fax als Beweis.
Voraussetzung für sämtliche Leistungen aus der Pflegeversicherung ist, dass Pflegebedürftigkeit voraussichtlich für mindestens sechs Monate vorliegt. Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb Hilfe durch andere brauchen. Bei pflegebedürftigen Kindern stellt die Pflegeversicherung den Pflegegrad fest, indem sie die Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit denen von altersentsprechend entwickelten Kindern vergleicht.
Wenn der Antrag bei der Pflegeversicherung eingeht, erfolgt eine Pflegebegutachtung. Der Medizinische Dienst (MD) prüft bei den Pflegebedürftigen zu Hause, wie selbständig sie in sechs Lebensbereichen noch sind. Diese Bereiche sind:
Mobilität
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
Selbstversorgung
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Es kommt nicht in erster Linie auf ihre Erkrankungen oder Behinderungen an, sondern darauf, wie sehr sie dadurch in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt sind.
Pflegebedürftige und deren Angehörige können sich auf die Pflegebegutachtung vorbereiten, indem sie aufschreiben, wie ein typischer Monatsablauf mit allen Aktivitäten zu Hause und auswärts aussieht und wo sie Hilfe brauchen.
Tipp: Wenn es Personen gibt, die die Pflegebedürftigen im Alltag unterstützen, sollten diese bei der Begutachtung anwesend sein. Die Begutachtung sollte in einer realistischen Alltagssituation stattfinden. Pflegebedürftige sollten sich also nicht extra „fein“ machen oder aufräumen.
Die Pflegekasse muss grundsätzlich innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags entscheiden. Das bedeutet: Innerhalb dieser Frist muss die Pflegekasse die Begutachtung durchführen und den Pflegebedürftigen eine Entscheidung über den Pflegegrad schriftlich mitteilen.
In zwei Fällen ist die Frist für die Begutachtung kürzer:
1. Eine Woche
Die Pflegekasse muss die Begutachtung innerhalb von einer Woche durchführen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
a) Der oder die Pflegebedürftige ist im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung und es liegt eine der folgenden Voraussetzungen vor:
oder aber:
b) Die pflegebedürftige Person wird in einem Hospiz oder zu Hause palliativ versorgt.
2. Zwei Wochen
Die Pflegekasse muss die Begutachtung innerhalb von zwei Wochen durchführen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
a) Der oder die Pflegebedürftige wird zu Hause versorgt und
b) es liegt eine der folgenden Voraussetzungen vor:
Die Pflegekasse muss Pflegebedürftigen ihre Entscheidung unverzüglich nach Eingang der Empfehlung des MD schriftlich mitteilen und ihnen das Gutachten übersenden.
Hält die Pflegekasse die gesetzlichen Fristen nicht ein, muss sie für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 Euro zahlen. Der Anspruch auf die pauschale Zusatzzahlung entsteht automatisch ohne Antrag. Pflegebedürftige oder deren Bevollmächtigte können das Geld sofort einfordern.
Davon gibt es zwei Ausnahmen:
1. Die Pflegekasse hat die Verzögerung nicht zu vertreten, zum Beispiel, wenn die Begutachtung wegen eines Krankenhausaufenthalts verschoben werden muss. Dann entfällt die Frist aber nicht, vielmehr werden die Verzögerungstage nicht mitgerechnet. Die Frist setzt sich also an dem Tag fort, an welchem die Pflegekasse darüber informiert wird, dass die Begutachtung zuhause jetzt stattfinden kann. Die Pflegekasse muss dann in den verbleibenden Tagen die Begutachtung durchführen und entscheiden.
2. Die pauschale Zusatzzahlung von 70 Euro pro angefangener Woche der Fristüberschreitung entfällt, wenn Pflegebedürftige im Pflegeheim sind und bereits mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft wurden.
Sind Pflegebedürftige mit einer Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden, können sie bzw. deren Angehörige in Vollmacht Widerspruch einlegen. Dies müssen sie schriftlich innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides tun, wenn dieser eine Widerspruchsbelehrung enthält. Anderenfalls verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr. Ist die Frist abgelaufen, können Pflegebedürftige bzw. deren Bevollmächtigte einen Überprüfungsantrag stellen.
Wenn sich ihre Situation verschlechtert, können Pflegebedürftige jederzeit einen neuen Antrag auf Feststellung oder Höherstufung des Pflegegrads stellen. In diesem Fall erbringt die Pflegekasse höhere Leistungen aber nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Datum der Stellung des neuen Antrags.
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