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Etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ist in kieferorthopädischer Behandlung. Das kann für die Betroffenen mit hohen Kosten verbunden sein. Über den Nutzen solcher Behandlungen wird immer wieder kritisch diskutiert.
Lesen Sie, wann die Krankenkasse für die Zahnspange zahlt, welche Alternativen es gibt und was man vor der Behandlung klären sollte.
Eine kieferorthopädische Behandlung mit einer Zahnspange kann medizinisch notwendig sein, wenn Fehlstellungen von Zähnen oder Kiefer vorliegen. Entscheidend ist, dass diese Fehlstellungen das Beißen, Kauen, die Artikulation, die Nasenatmung, den Mundschluss oder die Funktion der Kiefergelenke beeinträchtigen oder in Zukunft beeinträchtigen könnte – und dass diese Beeinträchtigung voraussichtlich durch eine kieferorthopädische Behandlung behoben werden kann.
Idealerweise beginnt eine solche Behandlung nach dem 9. Lebensjahr in der zweiten Phase des Zahnwechsels.
Für viele Menschen stehen bei der Entscheidung für eine kieferorthopädische Behandlung ästhetische Überlegungen im Vordergrund. Sie wünschen für sich oder ihre Kinder gerade, ebenmäßige Zähne. Die Behandlung kann eine Verbesserung von Zahn- oder Kieferfehlstelllungen bewirken und manche Patienten und Patientinnen berichten nach Abschluss der Behandlung über eine bessere Lebensqualität. Zu beachten ist aber, dass nicht in allen Fällen das gewünschte optimale Ergebnis erreicht wird und dass es auch zu Rückfällen kommen kann.
Die Kosten von Zahnspangen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind individuell höchst verschieden. Zunächst gruppiert der Kieferorthopäde oder die Kieferorthopädin jeden Fall in eine von 5 Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) ein. Bei den KIG-Behandlungsgraden 3, 4 oder 5 übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Patienten und Patientinnen, die sich zu Beginn der Behandlung zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr befinden. Für Kinder, die noch nicht 10 Jahre alt sind, gibt es einige Ausnahmen. Bei Jugendlichen, die während der Behandlung das 18. Lebensjahr vollenden, übernimmt die Krankenkasse die Kosten bis zum Abschluss der Behandlung. Für Erwachsene ist die Zahnspange grundsätzlich keine Kassenleistung.
Maßnahmen, die lediglich kosmetischen Zwecken dienen, gehören nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Sie werden nicht von den Kassen übernommen.
Wenn die Krankenkasse die Kosten für eine Zahnspange übernimmt, zahlt sie für die einfachste Versorgung, die sogenannte „Kassenzahnspange“. Diese muss „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein. Der Kieferorthopäde oder die Kieferorthopädin muss gesetzlich Versicherte auf die zuzahlungsfreie kieferorthopädische Behandlungsmöglichkeit hinweisen.
Werden darüber hinaus andere Behandlungsmethoden und -geräte gewünscht, müssen die Ärzte und Ärztinnen über die Behandlungsalternativen mündlich aufklären. Die Versicherten schließen vor Beginn der Behandlung schriftlich oder elektronisch mit dem Arzt oder der Ärztin eine sogenannte Vereinbarung über privatzahnärztliche Leistungen ab. In der Vereinbarung müssen die Kostenanteile aufgeschlüsselt und nach Leistungen gegenübergestellt sein, die die Krankenkasse trägt und die Versicherte selbst tragen. Versicherte erklären in der Vereinbarung, dass sie über Behandlungsalternativen einschließlich einer zuzahlungsfreien Behandlung aufgeklärt wurden.
Gut zu wissen: Auch bei Fällen, die voraussichtlich komplett von der Kasse bezahlt werden, müssen Eltern zunächst einen Eigenanteil von 20 Prozent (10 Prozent bei gleichzeitig behandelten Geschwisterkindern) tragen. Diese werden nach erfolgreich beendeter Behandlung erstattet.
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Patienten und Patientinnen mit den KIG-Behandlungsgraden 3, 4 oder 5 nur dann komplett, wenn die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wird. Danach erstattet sie auch den Eigenanteil. Wird die Behandlung vorzeitig abgebrochen, bekommen Eltern ihren 20-prozentigen Eigenanteil grundsätzlich nicht zurück.
Kieferorthopäden und Kieferorthopädinnen sind verpflichtet, ihren gesetzlich versicherten Patienten und Patientinnen vor Beginn der Behandlung eine detaillierte Kostenaufstellung mitzugeben, den sogenannten Heil- und Kostenplan. Der Plan erklärt, welche Leistung zu welchen Kosten geplant ist und wer die jeweiligen Kosten übernimmt.
Eine Zweitmeinung eines weiteren Kieferorthopäden oder einer Kieferorthopädin kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn es um die Frage geht, ob gesunde Zähne im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung gezogen werden sollen. Auch wenn sich Betroffene nur unzureichend von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin aufgeklärt fühlen oder bei einem sehr frühzeitigen kieferorthopädischen Therapiebeginn, lohnt eine Zweitmeinung.
Möglich ist die Korrektur von Zahnfehlstellungen und Kieferfehllagen durch herausnehmbare oder festsitzende Apparaturen. Diese können auch kombiniert werden.
Festsitzende Klammern üben über einen längeren Zeitraum eine kontinuierliche Kraft auf die Zähne aus. Das kann die Behandlungszeit im Gegensatz zur Behandlung mit losen Klammern verkürzen. Allerdings kann es durch „feste“ Klammern auch zu einer Überbeanspruchung im Bereich der Zahnwurzeln kommen.
Laut Deutscher Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) lassen sich folgende Korrekturen am besten mit einer festsitzenden Apparatur durchführen:
Herausnehmbare Spangen sind laut DGMZK gut geeignet um zum Beispiel:
Die festsitzende Zahnspange besteht im Grundsatz aus Plättchen (den sogenannten Brackets), Metallbändern, Drähten und Hilfsteilen. Die Brackets werden auf die Zähne geklebt. Es gibt Brackets aus Kunststoff, Metall und aus Keramik (die „zahnfarbenen“ Brackets). Darüber hinaus gibt es besonders kleine Formen, sogenannte Minibrackets.
Mit speziellem Zement werden zusätzlich Metallbänder an den Backenzähnen befestigt. In die Bänder und Brackets werden dann Bögen oder Drähte eingepasst, die sie miteinander verbinden. Festsitzende Klammern üben ununterbrochen einen leichten Druck auf die Zähne aus, die bewegt werden sollen.
Ein sogenannter Gesichtsbogen (auch Headgear genannt), besteht aus einem Innenbogen, der mit den oberen Backenzähnen verbunden wird, und einem Außenbogen mit Nackenspanne. Ziel ist es, die oberen Backenzähne durch intensives Tragen nach hinten zu schieben. So soll Platz geschaffen werden, um vorstehende Schneidezähne zurückbewegen zu können.
Ja. Die sogenannte Lingualspange wird innen, also auf der Zungenseite der Zähne befestigt und ist so von außen nicht sichtbar. Dieses Verfahren erfordert einen deutlich größeren Aufwand als die herkömmliche festsitzende Apparatur und ist daher auch wesentlich teurer.
Die zusätzlichen Kosten einer innen liegenden „unsichtbaren Spange“ werden von den gesetzlichen Kassen nicht übernommen.
Auf dem Markt gibt es herausnehmbare und transparente Kunststoffschienen. Im Verlauf der Behandlung kommt eine Serie von Schienen zum Einsatz, die individuell angefertigt werden. Mit ihnen kann die Zahnstellung in kleinen Schritten korrigiert werden. Die Kosten werden von den gesetzlichen Kassen nicht übernommen.
Bei einer festen Spange ist eine überdurchschnittlich gute Mundhygiene nötig. Ansonsten drohen Zahnschmelzschädigungen, Karies und Zahnbetterkrankungen.
Eine festsitzende Spange muss darüber hinaus in der Regel alle vier bis sechs Wochen ärztlich kontrolliert werden. Passiert das nicht, können durch Lockerung der Bänder und der Brackets Nischen entstehen, in denen sich Bakterien ansiedeln können.
Herausnehmbare Spangen wirken nur, wenn sie auch tatsächlich eingesetzt werden. Sie sollten nachts durchgehend und mindestens einige Stunden am Tag getragen werden, kleinere Spangen auch ganztags. Herausnehmen sollte man die Klammern beim Essen und beim Sport. Die Spange muss regelmäßig kontrolliert und nachgestellt werden. Sie sollte täglich gereinigt werden. Auch eine gute Mundhygiene ist notwendig.
Das kommt immer auf den Einzelfall an. Tipp an die Eltern: Lassen Sie sich und dem Kind bei der Entscheidung über eine Zahnspange das Kassenmodell und alternative Selbstzahler-Modelle von den Kieferorthopäden zeigen und vergleichen Sie die Unterschiede. Ein Kassenmodell ist nicht per se schlecht. In jedem Fall erfüllt es den medizinischen Zweck auf wirtschaftliche Weise.
Ja. Auch bei Erwachsenen Menschen können viele Zahnstellungsfehler mit guten Aussichten auf einen bleibenden Erfolg korrigiert werden. Allerdings kommt es auf den Zustand des Zahnhalteapparats, Zahl und Zustand der Zähne an. Bei schweren Fehlstellungen kann zusätzlich zur kieferorthopädischen Behandlung eine Kieferchirurgische Kombinationstherapie angezeigt sein.
Bei der Verwendung fester oder herausnehmbarer Geräte hängt der Therapieerfolg Erwachsener genauso von der Mitarbeit ab wie bei jungen Patienten und Patientinnen. Wichtig ist es daher, die herausnehmbaren Geräte regelmäßig zu tragen, die Anweisungen zur optimalen Mundhygiene zu befolgen und die Kontrolltermine einzuhalten.
Die Kasse übernimmt nur in wenigen Ausnahmefällen die Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung, die nach Beendigung des 18. Lebensjahres beginnt. Solche Ausnahmen treten beispielsweise ein bei Versicherten mit schweren Kieferanomalien, die so ausgeprägt sind, dass kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind.
Solche Fälle können zum Beispiel vorliegen:
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AWMF S3- Leitlinie und Patientenleitlinie: Ideale Behandlungszeitpunkte kieferorthopädischer Anomalien. Stand: 17.12.2021
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