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Im Schnitt bekommt die Hälfte aller gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten in Deutschland beim Arztbesuch sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Versicherte müssen diese privat bezahlen. Der medizinische Nutzen vieler dieser IGeL ist umstritten.
Für betroffene Patientinnen und Patienten ist es daher wichtig, sich aus unabhängigen Quellen zu informieren und den Nutzen und die möglichen Nachteile einer vorgeschlagenen IGeL individuell abzuwägen.
Der Begriff IGeL steht für Individuelle Gesundheitsleistungen. Es handelt sich um Untersuchungen oder Behandlungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Diese übernehmen die Kosten nicht. Die gesetzlich versicherten Patienten und Patientinnen müssen die Leistungen selbst auf private Rechnung bezahlen.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für IGeL nicht. Denn diese zahlen nur Leistungen, die
sind.
Es gibt verschiedene Gründe, warum die gesetzlichen Krankenkassen die Individuellen Gesundheitsleistungen nicht übernehmen.
Gut zu wissen:
Im Krankenhaus gelten andere Regeln als in der ambulanten Versorgung. Im Krankenhaus dürfen Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, solange der GBA sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat.
In der ambulanten Versorgung hingegen, also zum Beispiel in der Haus- oder Facharztpraxis, müssen Leistungen ausdrücklich zugelassen werden, bevor die gesetzlichen Krankenkassen sie übernehmen.
Der Begriff Individuelle Gesundheitsleistungen ist eine Sammelbezeichnung und umfasst sehr unterschiedliche Angebote, die zum Beispiel beim Augenarzt, Frauenarzt, Orthopäden oder Hautarzt angeboten werden. Hierzu gehören die bereits erwähnten Leistungen außerhalb des Versorgungsauftrages der Krankenkasse wie Reiseimpfungen, ästhetisch-kosmetische Maßnahmen oder Atteste. Es gibt auch IGeL beim Zahnarzt, wie beispielsweise die professionelle Zahnreinigung.
Daneben kann man zwischen diagnostischen und therapeutischen Individuellen Gesundheitsleistungen unterscheiden. Diagnostische IGeL umfassen zum Beispiel Früherkennungsuntersuchungen, deren Nutzen nicht belegt ist. Ebenfalls fallen darunter Laboruntersuchungen mit wissenschaftlich nicht anerkannten Verfahren. Als therapeutische IGeL werden zum Beispiel alternativmedizinische Verfahren oder Leistungen mit umstrittenem Nutzen angeboten. Aber auch neuartige, noch nicht bewertete diagnostische und therapeutische Verfahren kommen als Individuelle Gesundheitsleistungen infrage.
Genau lässt sich die Zahl existierender IGeL nicht angeben, da ständig neue Angebote hinzukommen und sich viele einzelne Leistungen auch weiter unterteilen lassen. Blutuntersuchungen können beispielsweise als Paket angeboten werden. Aber auch die Analyse einzelner Blutwerte kann eine separate IGeL sein. Eine offizielle Übersicht über alle Individuellen Gesundheitsleistungen gibt es nicht.
Es gibt Individuelle Gesundheitsleistungen, die nachweislich keinen medizinischen Nutzen haben und Patientinnen und Patienten einem Risiko aussetzen. Andere Leistungen haben keinen nachweisbaren Nutzen, verursachen aber auch keinen bekannten Schaden. In wieder anderen Fällen ist die Datenlage unklar oder umstritten. Manche IGeL erfüllen individuelle Bedürfnisse oder Wünsche und können im Einzelfall für die Betroffenen hilfreich sein. Wichtig ist es, sich für die geplante Leistung vorab über Risiken und Nutzen zu informieren und sich über eigene Wünsche klar zu werden.
Der Medizinische Dienst Bund (MD Bund) nimmt eine Bewertung einzelner Individueller Gesundheitsleistungen vor. Sein unabhängiges Internetportal IGeL-Monitor (www.igel-monitor.de) bietet Versicherten eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für oder gegen die Inanspruchnahme von Individuellen Gesundheitsleistungen.
Für den IGeL-Monitor recherchiert ein medizinisch und methodisch geschultes Team in medizinischen Datenbanken. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wägen möglichen Nutzen und Schaden von IGeL ab. Sie fassen die Ergebnisse in Bewertungen zusammen, die von „positiv“, „tendenziell positiv“ und „unklar“ bis zu „tendenziell negativ“ und „negativ“ reichen. Regelmäßig wird geprüft, ob es neue Studien gibt und Bewertungen aktualisiert werden müssen.
Der Medizinische Dienst Bund (MD Bund) hat 2.266 gesetzlich Versicherte zum Thema IGeL befragen lassen und im Jahr 2020 folgende Daten veröffentlicht:
Ihr Arzt oder Ihre Ärztin muss beim Anbieten einer IGeL verschiedene Punkte beachten:
Wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt beim Beratungsgespräch zu einer IGeL die Punkte nicht erfüllt, haben Sie gegebenenfalls Schadensersatzansprüche. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sie oder er Sie nicht hinreichend über den Nutzen und die Risiken einer Leistung aufgeklärt hat. Voraussetzung dafür ist aber, dass Sie die Leistung bei hinreichender Aufklärung nicht in Anspruch genommen hätten.
Ob entsprechende Ansprüche bestehen, hängt vom Einzelfall ab. Ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin kann Ihnen eine rechtliche Einschätzung geben, ob und welche Ansprüche in Ihrem individuellen Fall bestehen.
Es gilt der Grundsatz: ohne Vertrag keine Leistung. Der Vertrag muss die folgenden Punkte regeln:
Gut zu wissen:
Wenn die Preise für die Leistung am Ende viel höher ausfallen als im Vertrag veranschlagt, dürfen Sie die Zahlung des Mehrbetrages verweigern.
Für Patientinnen und Patienten ist es nicht immer einfach zu entscheiden, welche IGeL für sie sinnvoll sind. Eine erste Orientierungshilfe kann zum Beispiel der IGeL-Monitor geben (siehe oben).
Ob eine Individuelle Gesundheitsleistung für Sie persönlich sinnvoll ist, hängt auch immer von Ihrer individuellen Situation und medizinischen Vorgeschichte ab. Bevor Sie sich für oder gegen eine Leistung entscheiden, die Ihnen Ihre Ärztin oder Ihr Arzt empfiehlt, sollten Sie daher folgende Punkte beachten:
1. Sprechen Sie die Ärztin oder den Arzt direkt an und fragen Sie, warum sie oder er in Ihrem Fall eine solche Untersuchung für sinnvoll hält. Lassen Sie sich darlegen, was in Ihrem Fall der Vorteil der Leistung ist.
2. Informieren Sie sich mithilfe unterschiedlicher Quellen. Fragen Sie zum Beispiel auch Freunde und Bekannte, welche Erfahrungen sie mit der Leistung gemacht haben.
3. Holen Sie gegebenenfalls eine ärztliche Zweitmeinung ein.
4. Wichtig: Nehmen Sie sich für Ihre Entscheidung so viel Zeit, wie Sie brauchen.
Ihre Ärztin oder Ihr Arzt muss Sie über Individuelle Gesundheitsleistungen ausführlich, sachlich, umfassend und verständlich aufklären:
Warum ist die IGeL für Sie als Patientin oder Patient sinnvoll und warum empfiehlt sie oder er die Leistung? Gibt es wissenschaftliche Belege für den Nutzen und was sind Risiken und mögliche Nebenwirkungen der Leistung? Die Aufklärung muss mündlich erfolgen und Ihnen die Gelegenheit geben, Fragen zu stellen.
Wichtig: Bietet Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihnen IGeL an, muss sie oder er Sie persönlich über diese aufklären. Eine Sprechstundenhilfe darf die IGeL-Beratung nicht übernehmen.
Hat Ihre Prüfung ergeben, dass Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Sie nicht umfassend aufgeklärt hat und haben Sie dadurch einen Schaden erlitten? Dann haben Sie ihnen gegenüber womöglich Schadensersatzansprüche. Die Ansprüche sind jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Ob diese in Ihrem persönlichen Fall vorliegen, kann ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für Sie prüfen.
Selbstverständlich darf Ihr Arzt oder Ihre Ärztin Sie nicht zu einer IGeL drängen. Insbesondere muss er oder sie sachlich bleiben und darf nicht für eine bestimmte Leistung werben. Sie sollten das Gefühl haben, dass Sie sich frei entscheiden können, ob Sie die Leistung in Anspruch nehmen möchten. Wenn Sie sich bezüglich einer IGeL bedrängt fühlen, können Sie eine Beschwerde bei der Ärztekammer und/oder der Kassenärztlichen Vereinigung einlegen. Zuständig ist die Ärztekammer oder Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bundesland der Praxissitz liegt.
Droht Ihnen eine Ärztin oder ein Arzt an, Sie nicht weiter zu behandeln, wenn Sie eine empfohlene IGeL nicht in Anspruch nehmen möchten? Dann ist dieses Verhalten inakzeptabel. Mit dieser Begründung darf Ihnen keine medizinisch notwendige Behandlung verweigert werden. In diesem Fall informieren Sie die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bundesland der Praxissitz liegt.
Nein, bei einer IGeL handelt es sich nie um eine medizinisch dringliche Maßnahme. Sie sollten sich für Ihre Entscheidung alle Zeit nehmen, die Sie brauchen. Wenn Ihre Ärztin oder Ihr Arzt die Maßnahme sofort durchführen will, bitten Sie um Bedenkzeit. Auch sie oder er wird Verständnis dafür haben, wenn Sie sich genauer über die Leistung informieren wollen.
Auf einen Blick: Hinweise für Patienten und Patientinnen
Die Kosten für Individuelle Gesundheitsleistungen sind so unterschiedlich wie die IGeL selbst. Die Ärztin oder der Arzt kann sich die Preise für IGeL aber nicht einfach aussuchen, ein Erfolgshonorar verlangen oder einen Pauschalpreis festlegen. Vielmehr ist sie oder er, wie bei allen anderen ärztlichen Leistungen auch, bei der IGeL-Abrechnung an die Gebührenordnung für Ärzte/Zahnärzte (GOÄ/GOZ) gebunden. Diese bietet aber einen gewissen Spielraum (einfacher Satz bis Höchstsatz)
Aber Achtung: Ihre Ärztin oder Ihr Arzt darf bei der Abrechnung von Individuellen Gesundheitsleistungen den Höchstsatz nur anwenden, wenn die Leistung sehr zeitaufwendig oder kompliziert ist. Dies muss sie oder er in der Rechnung schriftlich begründen.
Über die Preise der Leistung muss die Ärztin beziehungsweise der Arzt Sie im Vorhinein in der entsprechenden schriftlichen Vereinbarung informieren. Nach der Behandlung wird Ihnen eine Rechnung ausgestellt. Achten Sie darauf, dass diese Rechnung insbesondere folgende Punkte enthält:
Tipp: Prüfen Sie die Rechnung auf Vollständigkeit. Enthält sie nicht alle erforderlichen Angaben, können Sie die Zahlung verweigern, selbst wenn Sie die IGeL schon erhalten haben. Erst wenn Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt auf die fehlenden Angaben hingewiesen haben und sie beziehungsweise er Ihnen eine korrigierte Rechnung erstellt hat, müssen Sie zahlen.
Gut zu wissen: IGeL gehören nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (siehe oben). Dennoch kann es vorkommen, dass einzelne gesetzliche Krankenkassen die Kosten für bestimmte IGeL übernehmen. Unter Umständen kommen auch private Zusatzversicherungen für ausgewählte Leistungen auf. Patientinnen und Patienten sollten sich daher vor der Entscheidung für oder gegen eine IGeL bei der eigenen Krankenkasse erkundigen, ob die geplante Leistung erstattet wird.
Für Privatversicherte gelten andere Regeln als für gesetzlich Versicherte: Sie können grundsätzlich mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt einen Vertrag über alle Leistungen abschließen. Aber die Private Krankenversicherung erstattet die Kosten nur, wenn die Leistung medizinisch notwendig ist. Patientinnen und Patienten sollten im Zweifel bei ihrer Krankenversicherung nachfragen, welche Kosten erstattet werden.
Ja. Sie haben immer das Recht, zu einer anderen Ärztin oder einem anderen Arzt zu gehen und sich eine zweite Meinung einzuholen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie die Individuelle Gesundheitsleistung wirklich in Anspruch nehmen sollen, ist eine ärztliche Zweitmeinung ratsam. Aber Achtung: Die Kosten für eine ärztliche Zweitmeinung zu einer IGeL übernimmt Ihre Krankenkasse in der Regel nicht. Sie können sich aber ärztlich dazu beraten lassen, wie Ihre Krankheit allgemein behandelt werden kann. In diesem Fall übernimmt die Kasse die Kosten.
Gerne berät Sie dazu die UPD. Wir erläutern Hintergründe, informieren zur wissenschaftlichen Datenlage bezüglich des Risikos und des Nutzens einer IGeL und unterstützen Sie dabei, Ihre Wünsche und Präferenzen zu klären. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir im Rahmen unserer Beratungsfunktion keine individuelle Einschätzung geben können, ob die Leistung in Ihrem Fall sinnvoll ist.
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Oftmals fühlen sich Menschen im Gespräch mit Krankenkassen oder Ärzten und Ärztinnen überfordert: Sie brauchen Unterstützung bei Fragen und Problemen im Zusammenhang mit ihrer Gesundheit. Unser Ziel ist es, Betroffenen die Informationen zu liefern, die sie benötigen, um sich zurechtzufinden und selbst die für sie beste Entscheidung zu treffen. Die Informationstexte auf unserer Homepage sollen dazu einen Beitrag leisten. Jeder Text durchläuft einen strengen mehrstufigen Prozess, damit die Qualität der Informationen gesichert ist. Auch für unsere Texte gelten unsere Beratungsgrundsätze: neutral, unabhängig, wissenschaftlich basiert. Für gesundheitliche Informationen arbeiten wir nach den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin. Dabei greifen wir in der Regel auf bereits aufbereitete hochwertige Information zurück, zum Beispiel auf die Texte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und AWMF-Leitlinien. Sozial- und gesundheitsrechtliche Themen basieren auf sogenannten Primärquellen wie Gesetzen, Verwaltungsvorschriften oder Bundestagsdrucksachen. Die verwendeten Quellen sowie den Stand der letzten Aktualisierung geben wir am Ende des Textes an. Unser Anspruch ist es verständliche Texte für alle Menschen zu schreiben. Um unserem Ziel gerecht zu werden, binden wir medizinische bzw. juristische Laien als Testleser ein, bevor wir die Texte veröffentlichen. Die Texte sind sachlich und frei von rechtlichen und gesundheitsbezogenen Wertungen. Wir aktualisieren unsere Texte zeitnah, wenn dies erforderlich ist, und prüfen alle Texte mindestens einmal jährlich.
Details zu unserer Vorgehensweise finden Sie in unserem Methodenpapier zur Erstellung und Präsentation von gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Informationen in der Patientenberatung der UPD.
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Unsere Informationstexte und unsere individuelle Beratung dienen dazu, gesundheitliche und gesundheitsrechtliche Inhalte zu vermitteln, Zusammenhänge zu erläutern und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Gerne unterstützen wir Sie bei ihrem individuellen Anliegen. Information und Beratung durch die UPD ersetzen jedoch weder einen Arztbesuch noch eine anwaltliche Vertretung. © 2022 UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH