Schwindel ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das sich in einer Störung der räumlichen Orientierung und/oder des Gleichgewichtssinns äußert: Es scheint, als schwanke oder als drehe sich der eigene Körper oder der umgebende Raum. Schwindel kann vielfältige Ursachen haben, unter anderem Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, des Gehirns, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch psychische Ursachen.
Schwindel kann sich auf vielfältige Weise äußern. Das Hauptmerkmal ist der Eindruck von Scheinbewegungen: das Gefühl, der Grund schwanke oder die Umgebung bewege sich. Abhängig von der Bewegungsrichtung der Scheinbewegungen werden unterschiedliche Schwindelarten unterschieden, zum Beispiel Drehschwindel oder Schwankschwindel.
Bei Drehschwindel haben Betroffene den Eindruck, dass sich die Welt um sie herum dreht. Das Gefühl ist dem ähnlich, dass viele Menschen nach einer rasanten Karussellfahrt haben. Drehschwindel tritt zum Beispiel bei vielen Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans auf.
Der Schwankschwindel ist vor allem durch Gang- oder Standunsicherheit geprägt. Die Betroffenen glauben zu schwanken, oder sie nehmen ihre Umgebung als schwankend wahr, ähnlich wie auf einem Schiff. Schwankschwindel tritt begleitend bei verschiedenen Erkrankungen auf, zum Beispiel bei Schädigungen von Kleinhirn oder Hirnstamm, aber auch bei psychisch bedingtem Schwindel.
Neben diesen Schwindelformen werden aber auch unsystematische Störungen des Gleichgewichts oder der Wahrnehmung von Betroffenen häufig als Schwindel beschrieben. Beim sogenannten Benommenheitsschwindel haben Betroffene zum Beispiel das Gefühl, sie sähen die Welt durch eine matte Glasscheibe, als würden sie ohnmächtig, oder sie fühlen sich wie betrunken. Diese Schwindelform tritt häufig bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder als Medikamentennebenwirkung auf.
Schwindel kann sich in vorübergehenden Attacken äußern oder auch dauerhaft auftreten. Der sogenannte gutartige Lagerungsschwindel zum Beispiel ist durch einige Sekunden bis Minuten anhaltende Schwindelattacken charakterisiert. Bei anderen Erkrankungen hält der Schwindel Stunden, Tage oder Wochen an. Manchmal lösen bestimmte Bewegungen wie Kopfdrehung oder Änderung der Körperposition den Schwindel aus, oder er wird durch bestimmte Situationen verursacht, zum Beispiel im Aufzug oder in einer Menschenmenge.
Häufig geht Schwindel mit anderen Beschwerden einher wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit und Ohnmachtsgefühlen, Hörproblemen, Ohrgeräuschen, Fieber, Müdigkeit, Schlappheit, Herzstolpern oder Atemnot. Das Vorliegen weiterer Symptome kann Rückschlüsse auf die Schwindelursache ermöglichen.
Schwindel hat viele Auslöser. An der Steuerung von Gleichgewicht und Koordination sind unter anderem das Sehen, die Körpereigenwahrnehmung, das Gleichgewichtsorgan im Innenohr und das Gehirn beteiligt. Ein Schwindel kann auftreten, wenn eines der genannten Systeme gestört ist.
Wird eine Schwindelsymptomatik durch eine Störung des Gleichgewichtsorgans (Vestibularorgan) im Innenohr verursacht, wird dies als peripher-vestibulärer Schwindel bezeichnet. Zu den häufigsten Störungen im Gleichgewichtsorgan zählen die Folgenden:
Wenn eine Schwindelsymptomatik durch eine Schädigung der Bereiche im Gehirn verursacht wird, die für die Gleichgewichtskoordination zuständig sind, spricht man von einem zentral-vestibulären Schwindel. Hier spielen vor allem das Kleinhirn und der Hirnstamm eine wichtige Rolle. Ursächlich kommen zum Beispiel Durchblutungsstörungen (Schlaganfall), entzündliche Erkrankungen des Nervensystems (unter anderem Multiple Sklerose), Blutungen oder einen Tumor infrage. Auch eine bestimmte Form der Migräne, die Basilarismigräne oder vestibuläre Migräne, kann mit einer Schwindelsymptomatik einhergehen und gehört zu den zentral-vestibulären Schwindelformen.
Sehstörungen oder zum Beispiel eine neue Brille können durch die veränderte Wahrnehmung zu einer Schwindelsymptomatik führen. Auch eine gestörte Körpereigenwahrnehmung kann sich in Schwindelgefühlen und Gangunsicherheit äußern, wenn das Gehirn unzureichende Informationen von Muskeln und Gelenken erhält, um die Bewegungen gezielt zu koordinieren. Eine Störung der Körpereigenwahrnehmung kann bei einer Nervenschädigung (Polyneuropathie) auftreten, wie sie zum Beispiel bei einer Zuckerkrankheit, durch langjährigen Alkoholkonsum oder im Alter vorkommt.
Häufig spielen auch psychische Ursachen für eine Schwindelwahrnehmung eine Rolle (sogenannter phobischer Schwankschwindel oder funktioneller Schwindel). Der psychisch bedingte Schwindel geht oft mit starker Angst und großem Leidensdruck einher. Er kann durch belastende Situationen ausgelöst werden, tritt aber auch häufig infolge einer Störung des Gleichgewichtsorgans auf, nachdem die eigentliche Symptomatik abgeklungen ist.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen − zum Beispiel eine Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder ein zu hoher oder zu niedriger Blutdruck − können ebenfalls Schwindelsymptome verursachen. Diese äußern sich meist in Form eines Benommenheitsschwindels.
Darüber hinaus ist Schwindel eine häufige Nebenwirkung von Medikamenten, zum Beispiel von Blutdruckmedikamenten oder von Beruhigungsmitteln.
Gerade bei älteren Menschen kommen oft viele Faktoren zusammen, die zu einem Schwindelgefühl führen. Die einzelnen Bereiche sind dabei häufig nur leicht beeinträchtigt – nachlassende Seh- und Muskelkraft, leichte Polyneuropathie, leichte Durchblutungsstörungen im Gehirn, Einnahme verschiedener Medikamente. Zusammengenommen können sie den Betroffenen aber stark beeinträchtigen. Diese Schwindelform wird als „komplexer Schwindel“, „Schwindel im Alter“ oder „multifaktorieller Schwindel“ bezeichnet.
Auch Erkrankungen der Halswirbelsäule, wie Blockierungen oder ein Schleudertrauma können schwindel-ähnliche Beschwerden auslösen (zervikogener Schwindel). Dabei handelt es sich um einen ungerichteten Schwindel (Schwankschwindel, Taumel).
Nicht jeder Schwindel ist krankhaft: Schwindel kann auch ein „Schutzmechanismus“ des Körpers sein, er meldet dem Gehirn eine eventuelle Gefahrsituation. Auslöser dafür sind zum Beispiel schnell wechselnde Bewegungen und Beschleunigung (Karussell, Seekrankheit) oder große Höhen.
Der Schlüssel zur Diagnose ist eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und eine körperliche Untersuchung. Bei charakteristischen Beschwerden kann auf dieser Basis bereits häufig eine Diagnose gestellt werden.
Wichtige Unterscheidungskriterien der verschiedenen Schwindelsyndrome sind:
Art des Schwindels: Drehschwindel, Schwankschwindel oder Benommenheitsschwindel
Dauer des Schwindels: Schwindelattacken über Sekunden, Minuten, Stunden bis Tage oder Dauerschwindel
Auslöser/Verstärker des Schwindels: bereits in Ruhe, beim Gehen oder durch bestimmte Bewegungen
Begleitsymptome
Darüber hinaus werden Medikamenteneinnahme und Vorerkrankungen erfragt.
Bei der körperlichen Untersuchung werden zum Beispiel Koordination, Gang- und Standsicherheit, Reflexe, Sensibilität und die Augenbewegungen geprüft. Bei vielen peripher- oder zentral-vestibulären Schwindelformen kann der Arzt oder die Ärztin bei der Untersuchung ein charakteristisches Augenflackern (Nystagmus) feststellen. Darüber hinaus gibt es verschiedene klinische Tests zur Funktion des Gleichgewichtsorgans.
Die Durchführung zusätzlicher Diagnostik hängt von der vermuteten Schwindelursache ab. Bei Verdacht auf einen zentralen Schwindel kann eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) des Kopfes oder eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) der hirnversorgenden Blutgefäße erfolgen. Die Funktion des Gleichgewichtorgans kann durch eine sogenannte kalorische Testung geprüft werden, bei der das Gleichgewichtsorgan durch kalte und warme Spülungen des Gehörgangs stimuliert wird. Durch eine Hörprüfung können begleitende Hörstörungen festgestellt werden. Bei Verdacht auf eine zugrunde liegende Herz-Kreislauf-Erkrankung können Blutdruck- und Herzuntersuchungen durchgeführt werden.
Die erste Anlaufstelle bei Schwindelsymptomen ist in der Regel die Hausarztpraxis. Je nach Verdachtsdiagnose können gegebenenfalls weitere Fachgebiete hinzugezogen werden. Infrage kommen hier Fachärzte und Fachärztinnen für Erkrankungen des Nervensystems (Neurologie), Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin oder Herzerkrankungen (Kardiologie). Auch eine augenärztliche, orthopädische oder psychiatrische bzw. psychologische Abklärung kann sinnvoll sein. Für ältere Menschen mit chronischem Schwindel kann auch ein Arzt oder eine Ärztin mit der Zusatzbezeichnung Geriatrie ein Ansprechpartner sein; diese Facharztgruppe ist auf die Behandlung älterer Menschen spezialisiert.
Einige Kliniken bieten spezielle Schwindelsprechstunden an, in denen die verschiedenen Fachrichtungen gegebenenfalls zusammenarbeiten.
Schwindel ist keine Diagnose, sondern ein Symptom und muss abhängig von der Ursache individuell behandelt werden. Die Behandlung verschiedener Schwindelformen umfasst dabei unter anderem Medikamente, Physiotherapie, Psychotherapie und selten operative Verfahren.
Häufig bessert sich eine Schwindelsymptomatik nach einiger Zeit von alleine, der Körper lernt, die „Fehlinformationen“, die zum Schwindel führen, auszugleichen. Physiotherapeutische Übungen zum Koordinations- und Gleichgewichtstraining können die Anpassung unterstützen und sind bei vielen Schwindelformen hilfreich.
Zur rein symptomatischen Behandlung, also zur Linderung der Schwindelsymptome unabhängig von der Ursache, stehen bestimmte Medikamente zur Verfügung, sogenannte Antivertiginosa. Diese beeinträchtigen jedoch die Möglichkeit des Körpers, den Schwindel selbst auszugleichen, und können mit Nebenwirkungen einhergehen. Ihre Anwendung wird daher nur über wenige Tage bei einer akuten, schweren Schwindelsymptomatik empfohlen. Begleitende Übelkeit kann durch entsprechende Medikamente gelindert werden.
Im Handel sind darüber hinaus verschiedene pflanzliche Arzneimittel gegen Schwindel erhältlich, deren Wirksamkeit jedoch häufig nicht ausreichend durch Studien belegt ist.
Bei chronischem Schwindel ist unter Umständen eine Versorgung mit geeigneten Hilfsmitteln (zum Beispiel Rollator) sinnvoll, um Stürze und Verletzungen zu vermeiden.
Je nach Ursache des Schwindels kommen weitere therapeutische Maßnahmen infrage, zum Beispiel sogenannte Lagerungsmanöver bei gutartigem Lagerungsschwindel. Diese bestehen aus festgelegten Bewegungsfolgen (zum Beispiel Kopf- und Rumpfdrehungen oder Wechsel von Liegen und aufrecht sitzender Position), durch die die störenden Ablagerungen in Regionen verlagert werden sollen, in denen sie keinen Schwindel hervorrufen. Bei phobischem Schwankschwindel können zum Beispiel Psychotherapie oder angstlösende Medikamente eingesetzt werden, bei der Neuropathia vestibularis Kortisonpräparate und beim Morbus Menière bestimmte Medikamente zur Anfallsprophylaxe.
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