Eine Kammertachykardie ist eine Herzrhythmusstörung, bei der in den Herzkammern viel zu schnelle Impulse entstehen. Sie lassen das Herz auch ohne Belastung zu schnell schlagen. Diese Rhythmusstörung wird auch ventrikuläre Tachykardie genannt.
Der normale Herzschlag wird von elektrischen Impulsen aus dem rechten Herzvorhof bestimmt. Es kann auch bei einem gesunden Herzen vorkommen, dass vereinzelt Impulse im Gewebe der Herzkammern entstehen. Wenn das Herz aber zum Beispiel durch einen Herzinfarkt geschädigt ist, kann das häufiger passieren.
Wenn mehr als drei schnelle Herzschläge hintereinander in der Kammer entstehen, spricht man von einer Kammertachykardie. Diese Impulse können den Herzschlag kurz stark beschleunigen. Nach einigen Sekunden normalisiert sich die Herzfrequenz oft von allein wieder. Wenn eine Kammertachykardie allerdings länger anhält oder häufig wiederkehrt, kann es zu lebensbedrohlichem Kammerflimmern kommen. Um das zu verhindern, wird häufig ein Defibrillator eingesetzt.
Bei einer Kammertachykardie ist der beschleunigte Herzschlag meist als Herzklopfen (Palpitationen) zu spüren. Wenn die Attacken nur Sekunden dauern, sind Beschwerden oft nur leicht oder fehlen ganz.
Dauert eine Attacke länger, kann sie zu Schwindel, Schwäche, Atemnot, Brustschmerzen, Ohnmacht (Synkope) und Kreislaufkollaps führen. All diese Symptome können Angst auslösen.
Eine Kammertachykardie ist meist die Folge einer Herzerkrankung, die die Reizleitung im Herzen stört. Dazu zählen Herzklappenerkrankungen, eine Herzschwäche, eine koronare Herzkrankheit (KHK) oder ein Herzinfarkt.
Bei einem Herzinfarkt stirbt Herzmuskelgewebe ab. Es bildet sich eine Narbe aus Bindegewebe, die den elektrischen Reiz nur noch sehr verzögert weiterleitet. Es kann dann sein, dass sich ein Reiz an der Narbe aufspaltet und zweimal oder mehrfach durch die Kammern kreist. Das Herz schlägt dann ohne Grund zu schnell.
Auch Störungen des Salzhaushalts, Drogenkonsum und Überdosierungen von einigen Medikamenten können zu einer Kammertachykardie führen.
Tritt eine Kammertachykardie bei Kindern oder jungen Erwachsenen auf, ist die Ursache oft eine genetische Veranlagung oder ein angeborener Herzfehler.
Kammertachykardien treten meist bei Menschen auf, die bereits eine andere Herzerkrankung wie eine koronare Herzkrankheit (KHK) oder eine Herzschwäche haben. Ältere Menschen sind deshalb eher betroffen.
Wann und wie oft Attacken einer Kammertachykardie auftreten, lässt sich kaum vorhersagen.
Wenn eine Kammertachykardie länger anhält, können die einzelnen, zu schnellen Schläge nicht genügend Blut in den Körper pumpen. Dadurch kommt im Gehirn zu wenig Sauerstoff an, was zu Bewusstlosigkeit führen und Stürze und Verletzungen zur Folge haben kann.
Auch der Herzmuskel selbst braucht Sauerstoff. Wird er bei einer Attacke nicht ausreichend durchblutet, kann das Muskelgewebe geschädigt werden. Das kann zu einem lebensbedrohlichen Schock mit Kreislaufversagen führen.
Wenn die Kammertachykardie in ein sogenanntes Kammerflimmern übergeht, führt dies ohne Behandlung zum plötzlichen Herztod. Bei Kammerflimmern zittert der Herzmuskel nur noch, ohne dabei Blut zu pumpen. Wird dann nicht rasch wiederbelebt, tritt der Tod ein.
Die Diagnose kann schwierig sein, weil eine Attacke nicht unbedingt dann auftritt, wenn man in der Arztpraxis oder im Krankenhaus ist – oder wenn sie auf dem Weg dahin von selbst aufgehört hat.
Während einer Attacke lässt sich der unregelmäßige, zu schnelle Herzschlag beim Abhören mit dem Stethoskop oder beim Pulsmessen feststellen. Vorhandene Beschwerden und mögliche Vorerkrankungen geben weitere Hinweise.
Ob es sich jedoch tatsächlich um eine Kammertachykardie handelt, kann die Ärztin oder der Arzt mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) feststellen – aber auch nur dann, wenn man während einer Attacke an ein EKG-Gerat angeschlossen ist. Wer bei der normalen EKG-Untersuchung keine Attacke hatte, erhält deshalb einen kleinen sogenannten Langzeit-EKG-Rekorder. Man kann ihn sich zum Beispiel unter der Kleidung um den Hals hängen. Das Gerät ist mit drei bis fünf Elektroden verbunden, die auf die Haut des Brustkorbs geklebt werden. Mit einem solchen Rekorder kann der Herzschlag auch über mehrere Tage aufgezeichnet werden. Tritt in dieser Zeitspanne keine Attacke auf, kann ein sogenannter Event-Rekorder helfen. Das kleine Gerät kann unter die Haut implantiert werden und den Herzrhythmus über Jahre aufzeichnen.
Attacken, die nur unter körperlicher Anstrengung auftreten, können sich auch bei einem Belastungs-EKG zeigen.
Um die Ursache dieser Herzrhythmusstörung festzustellen, werden in der Regel weitere Untersuchungen wie ein Ultraschall des Herzens (Echokardiografie) oder eine Herzkatheter-Untersuchung durchgeführt. Dabei kann man auch die Reizleitung im Herzen genauer untersuchen, oder andere Ursachen wie eine koronare Herzkrankheit (KHK) oder einen Herzinfarkt erkennen.
Vor allem herzkranke Menschen haben ein erhöhtes Risiko, an einer Kammertachykardie zu sterben. Neben der Behandlung der Ursachen können verschiedene Verfahren das Risiko für Kammertachykardien senken. Oft können sie auch miteinander kombiniert werden.
Um die Beschwerden und Komplikationen einer Kammertachykardie ausreichend behandeln zu können, ist eine rasche Einweisung ins Krankenhaus nötig.
Wenn durch die Herzrhythmusstörung ein Kreislaufversagen droht, wird die Attacke unter kurzer Narkose mit einem Stromstoß beendet. Dazu werden die Elektroden eines Defibrillators auf den Brustkorb geklebt oder aufgelegt. Der Stromstoß stoppt die Kammertachykardie und das Herz kann wieder normal weiter schlagen. Das Verfahren wird Kardioversion genannt. Mögliche Risiken sind Verbrennungen an den Stellen, an denen die Elektroden aufgesetzt werden, oder Reaktionen auf das Narkosemittel wie Atem- oder Kreislaufprobleme, Übelkeit und Erbrechen.
Wenn der Kreislauf bei einer Kammertachykardie stabil ist, werden manchmal zunächst Medikamente gespritzt. Die Mittel sollen den Herzrhythmus wieder in ein normales Tempo bringen. Nebenwirkungen können unter anderem Schwindel, Atemnot, Kopfschmerzen oder Blutdruckabfall sein. Weil die Medikamente in das komplizierte Reizleitungssystem eingreifen, können sie auch andere Herzrhythmusstörungen auslösen. Manchmal wird die Kammertachykardie auch mithilfe eines Katheter-Eingriffs am Herzen beendet.
Bei häufigen Kammertachykardien können die Beschwerden und die Angst vor lebensbedrohlichen Folgen belasten. Zudem fällt die Entscheidung, sich einen Defibrillator in den Brustkorb einsetzen zu lassen, oft schwer. Eine ausführliche ärztliche Beratung zu den Vor- und Nachteilen eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) ist dann besonders wichtig. Zusätzlich kann eine Entscheidungshilfe dabei unterstützen, noch offene Fragen zu klären und sich darüber klar zu werden, was einem persönlich wichtig ist. Hilfreich kann auch der Austausch mit anderen Menschen sein, die bereits einen ICD tragen – zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe.
Ein Defibrillator bietet Schutz vor den lebensbedrohlichen Auswirkungen von Kammertachykardien. Ihn im Körper zu tragen, kann den Alltag einschränken und auch Angehörige belasten. Viele Menschen haben Angst vor dem Moment, wenn das Gerät einen Stromstoß abgibt. Er ist schmerzhaft und erinnert an die lebensbedrohliche Erkrankung. Um keinen Stromstoß auszulösen, vermeiden manche, sich körperlich anzustrengen. Ein ICD kann auch einschneidende berufliche Auswirkungen haben: Wer ihn trägt, kann in der Regel keinen Beruf ausüben, in dem er Auto fahren muss. Privat darf man aber meist spätestens drei Monate nach Einsetzen des Defibrillators wieder ans Steuer.
Elektrische und magnetische Geräte können die Funktion des implantierten Defibrillators stören. Das kann verunsichern. Probleme lassen sich aber vermeiden, wenn man bei elektrischen Alltagsgeräten auf einen Sicherheitsabstand von 30 Zentimetern zwischen Oberkörper und Gerät achtet. Beim mobilen Telefonieren reichen 15 bis 20 Zentimeter Abstand. Den hält man bereits ein, wenn man das Telefon an das gegenüberliegende Ohr hält und es nicht in der Brusttasche trägt. Bei manchen Geräten wie etwa Induktionsherden kann ein größerer Abstand nötig sein, einige sind auch gar nicht für Menschen mit ICD geeignet. Dies ist in der Regel in der Bedienungsanleitung vermerkt. Bei Sicherheitskontrollen wie zum Beispiel am Flughafen, sollte man seinen ICD-Ausweis vorzeigen und auf seinen ICD hinweisen. Dann wird auf die elektronische Überprüfung (mittels Körperscanner) verzichtet. Auch manche medizinische Untersuchungen, zum Beispiel eine Magnetresonanztomografie (MRT), sind für Trägerinnen und Träger eines ICD riskanter als für andere Personen. Je nach ICD-Modell können sie aber möglich sein.
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. Wir informieren darüber, wie man die richtige Praxis findet, wie man sich am besten auf den Arztbesuch vorbereitet und was dabei wichtig ist.
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