Der Begriff degenerative Wirbelsäulenerkrankungen bezeichnet Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule. Bei fast allen Erwachsenen sind verschleißbedingte Veränderungen der Wirbelsäule nachweisbar. Häufig verursachen diese keine Beschwerden, sie können jedoch auch zu Bewegungseinschränkungen, Rückenschmerzen oder ausstrahlenden Schmerzen in Armen oder Beinen führen. Zu den verschleißbedingten Wirbelsäulenerkrankungen gehören zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, Spondylosis deformans, Facettengelenksarthrose, Spinalkanalstenose und Wirbelgleiten.
Die Wirbelsäule besteht aus 24 gegeneinander beweglichen Knochen, den Wirbeln. Die Fortsätze der Wirbel sind durch kleine Gelenke miteinander verbunden. Zwischen den Wirbelkörpern liegen wie Stoßdämpfer die elastischen Bandscheiben. Stabilisiert wird die Wirbelsäule durch dehnbare Stränge aus Bindegewebe (Bänder) und durch die Rückenmuskulatur. Die Konstruktion der Wirbelsäule sorgt dafür, dass sie gleichzeitig stabil und beweglich ist. Die Wirbel bilden einen Kanal (Spinalkanal), in dem das Rückenmark verläuft. Vom Rückenmark aus ziehen Nerven in alle Bereiche des Körpers.
Mit steigendem Alter oder bei einer hohen Beanspruchung können sowohl die Bandscheiben als auch die Wirbelkörper und Gelenke verschleißen. Die Bandscheiben verlieren ihre Elastizität und schrumpfen, die Höhe zwischen zwei Wirbeln nimmt ab. Bei einer Schädigung der Bandscheiben kann der aus einer gallertartigen Masse bestehende Bandscheibenkern austreten und in den Wirbelkanal hineinragen (Bandscheibenvorfall).
Infolge des Bandscheibenschadens und durch Reparaturvorgänge entstehen Verknöcherungen an den Rändern der Wirbelkörper, die auf Röntgenaufnahmen als Zacken oder Kanten erkennbar sind (Spondylosis deformans). Diese Veränderungen können Nerven reizen, die aus dem Rückenmark austreten. Dann strahlt der Schmerz in die entsprechende Stelle aus, zum Beispiel in Arm oder Bein. Manchmal ist auch ein Taubheitsgefühl oder eine Lähmung die Folge.
Wie andere Gelenke des Körpers auch können die kleinen Wirbelgelenke der Wirbelsäule von Verschleißerscheinungen betroffen sein; dies wird als Spondylarthrose oder auch Facettengelenksarthrose bezeichnet. Die verschleißbedingten Veränderungen von Wirbelkörpern, Wirbelgelenken und Bandapparat können den Wirbelkanal einengen und damit Beschwerden verursachen. Dies wird als Spinalkanalstenose bezeichnet.
Selten kommt es durch Verschleißerscheinungen dazu, dass ein Abschnitt der Wirbelsäule instabil wird und der einzelne Wirbelkörper sich gegenüber den anderen nach vorn oder hinten verschiebt. Dies wird als Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) bezeichnet.
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen können bei fast allen erwachsenen Menschen nachgewiesen werden und verursachen häufig keine Beschwerden. Sie können aber auch Bewegungseinschränkungen hervorrufen und an der Entstehung von Rückenschmerzen beteiligt sein.
Rückenschmerzen sind ein sehr häufiges Symptom. Meist sind verschiedene Faktoren an ihrer Ursache beteiligt. Neben Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule können unter anderem Stress, Muskelverspannungen, Fehlbelastung, zu wenig Bewegung, langes Sitzen oder seelische Belastungen eine Rolle spielen. Lässt sich keine eindeutige Ursache für die Beschwerden ausmachen, spricht man von unspezifischen Rückenschmerzen. Wenn sich eine konkrete Ursache der Beschwerden nachweisen lässt − zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall − spricht man von spezifischen Rückenschmerzen.
Rückenschmerzen sind unangenehm, aber meist harmlos. Warnsignale, die auf eine ernsthafte Ursache hinweisen, sind zum Beispiel Gefühlsstörungen und Lähmungen, Störungen der Blasen- oder Darmfunktion, Fieber oder Schüttelfrost, Gewichtsverlust, nachts verstärkt auftretende Schmerzen oder ein vorausgegangener Unfall.
Ein Bandscheibenvorfall kann − abhängig von der Größe und Lokalisation des Vorfalls − Druck auf Nerven und Rückenmark ausüben. Dadurch entstehen plötzlich auftretende starke Schmerzen im Rücken oder im Versorgungsgebiet der betroffenen Nervenwurzel. Außerdem kann es zu Gefühlsstörungen, Lähmungen oder in seltenen Fällen zu Blasen- und Mastdarmstörungen kommen.
Der Verschleiß der Wirbelgelenke (Spondylarthrose, Facettengelenksarthrose, Facettensyndrom) kann zu einer Bewegungseinschränkung insbesondere im Hals- und Lendenbereich führen. In dem betroffenen Bereich können Schmerzen auftreten, die zum Teil auch fortgeleitet werden. Der Schmerz tritt vor allem bei bestimmten Bewegungen auf, zum Beispiel bei ruckartiger Drehung oder verstärkter Rückneigung.
Bei einem Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) kann es ebenfalls zur Einklemmung von Nerven kommen. In diesem Fall können Lähmungen auftreten, die Beine, Blase oder Darm betreffen. Außerdem verstärkt ein dauerhaftes Wirbelgleiten Verschleißerscheinungen an Bandscheiben und Gelenken.
Bei der Untersuchung von Rückenschmerzen wird der Betroffene zunächst zu seinem Krankheitsbild befragt (Anamnese), zum Beispiel zu Art und Dauer der Beschwerden und möglichen Auslösern. In der körperlichen Untersuchung prüft der Arzt oder die Ärztin zum Beispiel Muskelkraft, Beweglichkeit und Reflexe und untersucht, ob Gefühlsstörungen oder andere Symptome vorliegen. Häufig lässt sich schon anhand der Anamnese und der Untersuchung einschätzen, ob den Rückenschmerzen eine ernsthafte Ursache zugrunde liegt.
Wenn es keine Hinweise auf spezielle Erkrankungen der Wirbelsäule gibt, ist eine weitere Diagnostik in der Regel erst einmal nicht erforderlich.
Bildgebende Verfahren – zum Beispiel Röntgen, MRT oder CT - kommen dann zum Einsatz, wenn die Schmerzen sich trotz Behandlung über mehrere Wochen nicht bessern oder wenn der Verdacht auf eine spezifische Erkrankung besteht. Dies kann zum Beispiel bei Lähmungen oder Gefühlsstörungen der Fall sein, die auf die Schädigung einer bestimmten Nervenwurzel hinweisen, oder bei Begleitsymptomen wie Fieber, die auf eine Entzündung hinweisen können.
Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule zeigen mögliche Veränderungen an den Wirbelkörpern, zum Beispiel Verknöcherungen. Die Darstellung von Nerven, Rückenmarkstrukturen oder der Weite des Spinalkanales kann mittels CT (Computertomografie) oder MRT (Magnet-Resonanz-Tomografie) erfolgen. Mit diesen Verfahren können zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, eine Spinalkanalstenose oder eine Spondylolisthesis dargestellt werden.
Wichtig zu wissen ist: Bei fast allen Erwachsenen sind in den bildgebenden Verfahren verschleißbedingte Veränderungen der Knochen und der Bandscheiben nachweisbar. Häufig verursachen diese keinerlei Probleme. Bandscheibenvorwölbungen, Facettengelenkarthrosen, Spinalkanalstenosen oder eine Spondylolisthesis werden oft auch bei Menschen beschrieben, die keine Symptome zeigen. Die in den Befunden beschriebenen Veränderungen müssen also nicht zwangsläufig mit den Beschwerden zusammenhängen und können zu unnötigen Behandlungen führen. Daher wird empfohlen, bildgebende Verfahren zurückhaltend einzusetzen.
Falls erforderlich können weitere diagnostische Verfahren eingesetzt werden, zum Beispiel die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (Elektroneurografie, ENG) und Elektromyografie (EMG). Das sind elektrische Messverfahren, bei denen die Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen und Muskeln getestet wird. Laboruntersuchungen können gegebenenfalls Hinweise auf entzündliche Erkrankungen liefern.
Zur Diagnose einer Facettengelenksarthrose werden manchmal Betäubungsmittel neben der Wirbelsäule in die Nähe der betroffenen Gelenke eingespritzt. Wenn diese Maßnahme die Schmerzen verringert, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass die Schmerzursache im Bereich der Facettengelenke liegt.
Die erste Anlaufstelle bei Rückenschmerzen ist die Hausarztpraxis. Zusätzlich kann ein Facharzt oder eine Fachärztin für Orthopädie oder für physikalische Medizin aufgesucht werden. Das Fachgebiet physikalische Medizin ist auf die nicht-operative Therapie chronischer Erkrankungen des Bewegungsapparates spezialisiert. Insbesondere bei ausstrahlenden Schmerzen, Lähmungen oder Gefühlsstörungen ist ein Neurologe oder eine Neurologin der geeignete Ansprechpartner. Bei chronischen Schmerzen können Ärzte und Ärztinnen hinzugezogen werden, die über die Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ verfügen. Diese Zusatzqualifikation kann von Ärzten und Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen im Rahmen einer Weiterbildung erworben werden.
Einige Kliniken bieten Spezialsprechstunden für Wirbelsäulenerkrankungen an, in denen Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenarbeiten. Darüber hinaus zertifiziert die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft nach festgelegten Qualitätskriterien solche Einrichtungen, die sich auf Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert haben. Die zertifizierten Wirbelsäulenzentren sind auf der Internetseite der Fachgesellschaft verzeichnet.
Die meisten Menschen leiden im Laufe ihres Lebens gelegentlich unter Rückenschmerzen. Häufig verschwinden die Symptome nach einiger Zeit von alleine wieder. Wichtig ist es, aktiv zu bleiben und sich in seinem Alltag möglichst wenig einschränken zu lassen. Schonung oder Bettruhe führen häufiger dazu, dass Beschwerden chronisch werden.
Es gibt verschiedene Schmerzmittel, die abhängig vom Schweregrad der Symptomatik und ihrer Verträglichkeit eingesetzt werden können. Zur Anwendung kommen zum Beispiel sogenannte nicht steroidale Antirheumatika, aber auch Opioide oder Medikamente gegen neuropathische Schmerzen.
Eine Bewegungs- oder Physiotherapie entspannt die Muskeln und kräftigt sie. In speziellen Kursen − der sogenannten Rückenschule − lernen Betroffene außerdem, falsche Bewegungsmuster zu verändern und erhalten allgemeine Informationen über Aufbau, Funktion und Entlastung des Rückens. Unterstützend zur Bewegungs- oder Physiotherapie kommen manchmal physikalische Anwendungen wie Wärme oder Massage zum Einsatz.
Bei chronischem Schmerz ist es das Ziel, eine Therapie zu finden, die es dem Patienten oder der Patientin ermöglicht, so gut es geht mit den Schmerzen zu leben und im Alltag zurechtzukommen. In diesem Zusammenhang kann auch psychotherapeutische Unterstützung durch eine Verhaltenstherapie hilfreich sein. Eine sogenannte multimodale Schmerztherapie, bei der verschiedene Therapieansätze kombiniert werden, kann gegebenenfalls auch stationär in einer Schmerzklinik erfolgen.
Invasive Verfahren − etwa das Spritzen von entzündungshemmenden und schmerzstillenden Medikamenten in die Nähe der Wirbelsäule − werden bei unspezifischen Rückenschmerzen ebenso wenig empfohlen wie operative Eingriffe. Wenn spezifische Ursachen für die Beschwerden nachgewiesen werden, können bei entsprechender Indikation invasive oder operative Verfahren infrage kommen, zum Beispiel bei einem Bandscheibenvorfall oder eine Spinalkanalstenose. Ob eine Operation sinnvoll ist, müssen Betroffene gemeinsam mit ihren Ärzten und Ärztinnen individuell abwägen. Dabei sollten sie den realistisch zu erwartendem Nutzen und mögliche Komplikationen berücksichtigen. Bei geplanten Eingriffen kann es sinnvoll sein, eine zweite Einschätzung einzuholen, um mehr Sicherheit bezüglich der Therapieentscheidung zu bekommen. Geplante Operationen an der Wirbelsäule unterliegen dem gesetzlich festgelegten Zweitmeinungsverfahren. Das bedeutet: Ärzte oder Ärztinnen, die eine solche Operation empfehlen, müssen auf das Recht hinweisen, die Entscheidung für oder gegen den Eingriff noch einmal kostenlos mit einem anderen Spezialisten besprechen zu können.
Risikofaktoren für degenerative Wirbelsäulenerkrankung sind vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel oder eine einseitige übermäßige Belastung. Die beste Vorsorge gegen Rückenschmerzen und degenerative Wirbelsäulenerkrankungen sind ausreichend Bewegung und Schulung von Haltung und Bewegungsabläufen. Viele Krankenkassen bieten entsprechende Präventionskurse an oder bezuschussen die Teilnahme.
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